Trump empfängt Macron: „Mein ganzes Leben besteht aus Deals“
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Frankreich und die Vereinigten Staaten hätten stets „auf der richtigen Seite der Geschichte“ zusammengefunden, sagte Präsident Emmanuel Macron im Weißen Haus. In der Äußerung schwang die Frage mit: Wird Amerika weiterhin die Werte von Demokratie und Freiheit verteidigen? Oder ist der Bruch des transatlantischen Bündnisses nicht mehr aufzuhalten? Den dritten Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine verbrachte der französische Präsident im Weißen Haus und im Kapitol, um sich Klarheit zu verschaffen. Und sofort nach seiner Rückkehr nach Paris am Dienstag begann er damit, den europäischen Partnern und NATO-Verbündeten seine Einschätzungen zu übermitteln.
Besonders wichtig ist Macron der enge Draht zum nächsten Bundeskanzler, wie der französische Präsident auf seiner Reise deutlich machte. Bei der Gestaltung der Nachkriegszeit in der Ukraine müssten Deutschland und Frankreich zusammen mit Großbritannien eine europäische Führungsrolle übernehmen. Mit Trump erörterte Macron die möglichen europäischen Sicherheitsgarantien für die Ukraine – und was Amerika dazu beitragen könne.
Als Macron nach einem langen Tag in Washington im Präsidentenflugzeug Bilanz zieht, fällt diese vorsichtig optimistisch aus. „Ich glaube wirklich, dass dies heute ein Wendepunkt in unseren Diskussionen war“, hatte Macron schon zuvor bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Trump im East Room gesagt. Es gebe „substanzielle Fortschritte“. In einem Interview im Sender Fox News äußerte er, dass er eine überprüfbare Feuerpause in den nächsten Wochen für möglich halte. Macron verstand es, Trump geschickt zu umgarnen, schreckte aber auch nicht davor zurück, ihn zu korrigieren und sich von ihm zu distanzieren.
Bei der Pressekonferenz stellte eine französische Journalistin der Associated Press (AP) eine Frage. Dass ausgerechnet sie aufgerufen wurde, sollte als Signal verstanden werden: Denn eigentlich hat das Weiße Haus AP derzeit von Pressekonferenzen ausgeschlossen, weil sich die Nachrichtenagentur entschieden hat, den Golf von Mexiko weiterhin Golf von Mexiko und nicht wie vom Trump gewünscht Golf von Amerika zu nennen. Der Rechtsstreit dazu ist noch nicht beendet.
Trump richtete im Beisein von Macron den Blick zurück. Er erinnerte an ein gemeinsames Abendessen auf dem Eiffelturm mit ihren „wunderschönen Ehefrauen“ zum französischen Nationalfeiertag 2017. Beim Hinausgehen habe Macron Journalisten damals auf Französisch von einer getroffenen Vereinbarung erzählt. Da kein Dolmetscher anwesend war, habe Trump immer nur genickt. „Er hat mich wirklich ausgetrickst“, sagte Trump, „denn als ich am nächsten Tag die Zeitungen las, stellte ich fest, dass es überhaupt nicht das war, was wir uns gesagt hatten!“ Die Anekdote wirkte ein wenig wie eine Warnung an den Gast.
Als positives Signal wollte Macron die Einladung Trumps an den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sehen. Vergangene Woche hatte Trump Selenskyj noch als „Diktator ohne Wahlen“ bezeichnet. Noch diese, spätestens nächste Woche will sich Trump nun mit Selenskyj im Weißen Haus treffen und ein Abkommen unterzeichnen. Das sei ein Fortschritt. In vielen europäischen Hauptstädten hielt man es schließlich für möglich, dass Trump den Ukrainer einfach ignoriert oder ihm Wahlen im Krieg aufzwingt, um ihn wie in einem Drehbuch des Kremls abzusetzen. Macron, Außenminister Jean-Noel Barrot sowie Finanz- und Wirtschaftsminister Eric Lombard konnten sich bei einem Arbeitsessen mit Trump, Außenminister Marc Rubio und Finanzminister Scott Bessent einen Eindruck davon verschaffen, dass das geplante Abkommen mit der Ukraine vorteilhafter für das Land ausfalle als in der ersten Fassung.
An dem Gespräch nahmen auf amerikanischer Seite auch Verteidigungsminister Pete Hegseth, der nationale Sicherheitsberater Michael Waltz, Stabschefin Susie Wiles sowie der Sondergesandte Steve Witkoff teil. Selenskyj hatte den ersten Vertragsentwurf bei einem Besuch Bessents in Kiew abgelehnt und damit den Zorn Trumps auf sich gezogen.
Die neue Fassung weist wesentliche Änderungen auf. Vorgesehen ist demnach ein umfassendes Wirtschaftsabkommen, das über die Ausbeutung von seltenen Erden und kritischen Mineralien hinausgeht. Der Vertragsentwurf enthält keine formellen Sicherheitsgarantien. Doch in Macrons Delegation wurde aufmerksam registriert, dass darin von ukrainischen Interessen und ukrainischer Souveränität die Rede ist. Das könne mit gewisser Vorsicht so interpretiert werden, dass Trump auch bereit wäre, die amerikanischen Unternehmensinteressen sowie die ukrainische Souveränität zu verteidigen. Trump sagte bei der Pressekonferenz ganz offen, dass es ihm darum gehe, ein gutes Geschäft für Amerika zu machen. „Ich mache Deals. Mein ganzes Leben besteht aus Deals“, sagte er.
Macrons Ziel in Washington war es, Trump von einem „schnellen Deal“ mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin abzuhalten, der keine Sicherheitsgarantien beinhaltet. Diesem Ziel meint er nun einem Schritt nähergekommen zu sein. Macron wiederholte mehrfach, was für ein Fehler die Waffenstillstandsabkommen von Minsk in den Jahren 2014 und 2015 gewesen seien. Die Abkommen waren unter deutsch-französischer Führung von Angela Merkel und François Hollande mit Billigung des damaligen Präsidenten Barack Obama ausgehandelt worden. Damals habe man es versäumt, robuste Sicherheitsgarantien zu geben.
Macron mahnte bei der Pressekonferenz mit Trump ein überlegtes Vorgehen an. Zunächst müssten ein Waffenstillstand und dann ein Friedensabkommen ausgearbeitet werden. In Paris decken sich die Eindrücke mit denen von Trumps ehemaliger Direktorin für europäische und russische Angelegenheiten, Fiona Hill. Diese hat in einem Aufsatz für das Magazin „Foreign Affairs“ kürzlich dargelegt, wie Trump interne Berichte zu Russland ignorierte und lieber auf den Rat von Außenstehenden hörte, die Geschäftsinteressen in Russland hatten. In Paris ist diplomatisch von einer fehlenden Schriftkultur die Rede. Trump sei aber durchaus zu beeinflussen, solange die Botschaften klar seien. „Wir wollen Frieden, er will Frieden. Wir wollen schnell Frieden, aber wir wollen kein schwaches Abkommen“, sagte Macron auf Fox News.
Auffällig war bei den gemeinsamen Auftritten, dass Trump stets vage, aber freundschaftlich blieb, während Macron konkrete Forderungen stellte. Besonders augenscheinlich wurde das bei der Begrüßung der beiden im Oval Office. Macrons Tag hatte mit einer Überraschung begonnen. Trump ließ sich überreden, doch an der G-7-Videokonferenz teilzunehmen und hatte sein Anwesen Mar-a-Lago in Florida früher als geplant verlassen. Er lud Macron kurzfristig dazu ein, Seite an Seite in seinem Büro mit den G-7-Partnern zu beraten. Die freie Zeit im Anschluss nutzten die beiden Präsidenten zu einem vertraulichen Austausch. Das trug zur gelösten Atmosphäre im Oval Office bei, als sich die beiden den Fragen der Journalisten stellten.
Macron zögerte nicht, Trump zu widersprechen, als dieser behauptete, Europa bekomme sein Geld von der Ukraine ohnehin zurück, weil es nur Kredite vergeben habe. Der französische Präsident berührte sanft Trumps Arm und verzog das Gesicht. „Um ehrlich zu sein, haben wir Europäer 60 Prozent der Ukrainehilfe übernommen“, sagte Macron auf Englisch. „Wir haben echtes Geld bereitgestellt“, führte er aus. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft hat errechnet, dass Europa 138 Milliarden aufbrachte, während 119 Milliarden Dollar aus den USA kamen.
Trump wiederholte die falsche Zahl, die USA hätten der Ukraine 350 Milliarden Dollar gegeben – und blickte skeptisch drein, als Macron ihn korrigierte. Ganz offensichtlich hegt der 78 Jahre alte Amerikaner Sympathien für den 47 Jahre alten Franzosen, der sein Sohn sein könnte. Er nannte ihn einen „ganz besonderen Freund“ und kritisierte, dass Macron nicht genügend Anerkennung dafür erhalten habe, dass er innerhalb von fünf Jahren die Kathedrale Notre-Dame nach dem Brand in neuem Glanz erstrahlen ließ. Die beiden Männer stellten sich den Fotografen mit virilen Handschlägen und gehobenem Daumen, als müssten sie das Fotoalbum der transatlantischen Freundschaft weiterführen.
Macron nahm sich in Washington auch Zeit für ein Gespräch mit dem 101 Jahre alten amerikanischen Kriegsveteranen Arlester Brown. Der betagte Mann aus Louisiana war einer der 73.000 amerikanischen Soldaten gewesen, die im Juni 1944 in der Normandie anlandeten und Europa befreiten. Macron berichtete Trump davon. Frankreich und Amerika seien „die ältesten Verbündeten“, sagte Trump, aber er ließ offen, was ihm der Bund heute noch bedeutet. Auf die Sicherheitsgarantien für die Ukraine angesprochen, sagte Trump: „Europa wird dafür sorgen, dass nichts passiert. Ich glaube nicht, dass es ein großes Problem sein wird. Ich denke, sobald wir uns geeinigt haben, wird es in der Ukraine keinen Krieg mehr geben.“ Er fügte hinzu, das Mindeste sei ja, dass Amerika als Back-up da sei, wenn etwas passiere. Aber er führte nicht aus, was dieses Angebot genau umfasst.
Das Abstimmungsverhalten Amerikas bei den Vereinten Nationen wollte man in Paris nicht überbewerten. Schon im Oval Office hatte sich Trump in Anwesenheit von Macron geweigert, Putin einen Diktator zu nennen. Aber die Zweifel sind auch nicht gänzlich zerstreut. Macron weiß, dass man sich auf den schlimmsten Fall vorbereiten muss: den Bruch der transatlantischen Beziehung. Die Vorbereitungen, insbesondere die Anstrengungen bei den Verteidigungsausgaben und beim Ausbau der europäischen Rüstungsproduktion, müssten weitergehen. Aber aus Washington hat Macron den Eindruck zurückgebracht, dass Trumps Amerika und Europa weiterhin einem Lager angehören. „Unsere geschätzte Partnerschaft war seit jeher eine treibende Kraft für Freiheit, Wohlstand und Frieden“, schrieb Trump.
Frankfurter Allgemeine Zeitung